„Die schönsten Fahrpläne nützen nichts, wenn sie nicht gefahren werden“: PRO BAHN beanstandet massive Zugausfälle im deutsch-polnischen Verkehr.

Gemeinsame Medienmitteilung der Regionalgruppe Lausitz des Fahrgastverbandes PRO BAHN Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. und der Initiative Deutsch-Polnischer Schienenverkehr

Der Fahrgastverband PRO BAHN, Landesverband Berlin-Brandenburg, und die Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr (KolejDEPL) kritisieren die zahlreichen Zugausfälle des deutsch-polnischen Verkehrs. Im Moment werde der Großteil der vom VBB bestellten grenzüberschreitenden Regionalzüge nicht gefahren und auch der Fernverkehr funktioniere nur unzuverlässig.

Hauptgrund der Beeinträchtigungen sind zahlreiche Baustellen: Die Strecke Berlin-Angermünde-Szczecin (RB 33) ist von 2022 bis 2026 komplett gesperrt, sodass Reisende zwischen Szczecin und Angermünde den Bus nutzen müssen. Auf der Strecke Berlin-Kostrzyn (RB 26) weigert sich die deutsche Seite, den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung anzugehen. Wegen des Neubaus der Oderbrücke fahren seit Dezember 2021 nur kleine Ersatzbusse über die Grenze. Ob der mehrfach verschobene Fertigstellungstermin im September eingehalten werden kann, bleibt fraglich. Ingo Koschenz, Sprecher der Initiative und Referent für Osteuropaverkehre des PRO BAHN Bundesverbandes, beanstandet diese langen Sperrzeiten und das Fehlen vernünftiger Ersatzkonzepte: „Zweigleisige Ausbauten und der Neubau einer Brücke können woanders auch unter rollendem Rad erledigt werden. Die Strecken werden nur tage- und nicht jahrelang gesperrt.“ Überdies wäre es möglich, weiterhin Direktzüge von Berlin nach Szczecin über Pasewalk und den Grenzübergang Grambow abzufahren oder Gorzów über Zbąszynek zu erreichen. Dennoch werden diese Alternativen nicht genutzt.

Die Strecke Berlin-Frankfurt (Oder)-Warschau, einzige Fernverkehrsstrecke zwischen Deutschland und Polen, wird tatsächlich wegen Bauarbeiten regelmäßig tage- oder wochenweise unterbrochen. Das nächste Mal Ende Juli, mitten in der Urlaubssaison. Ein brauchbares Umleitungskonzept läge laut Koschenz nicht vor. Zudem seien die Informationen von DB-Fernverkehr intransparent. „Die Fahrgäste aus Polen werden in Frankfurt (Oder) einfach aus dem Zug gekippt. Die DB-App verweist zur Weiterfahrt nach Berlin auf den RE-1. Im Kleingedruckten steht dann, dass dieser wegen der Bauarbeiten ebenso abschnittsweise ausfallen wird. Die App von PKP-Intercity verweist hingegen auf einen Ersatzbus von Frankfurt nach Berlin.“ Koschenz betont, dass Sperrungen auf internationalen Fernverkehrsstrecken unbedingt vermieden werden sollten. Schließlich müssten viele Reisende in Berlin weitere Anschlusszüge erreichen. „Es wäre zumindest besser gewesen, diese Sperrung bis zur Freigabe der Ostbahn zu verschieben. Diese ist in der Vergangenheit als Umleitungsstrecke genutzt worden. Notfalls können einzelne Eurocity auch über Cottbus umgelenkt werden“, so Koschenz.

Der Regionalverkehr zwischen Berlin-Brandenburg und den polnischen Nachbarwojewodschaften ist selbst auf nicht gesperrten Strecken unzuverlässig. Jens Endler, Sprecher der Regionalgruppe Lausitz im PRO BAHN Landesverband Berlin-Brandenburg, kritisiert, dass viele Züge durch Ersatzbusse ersetzt werden, ohne dass ausreichende Informationen an die Fahrgäste gegeben werden. Dieses beträfe die Strecken Frankfurt (Oder)-Zielona Góra (RB 91) und Guben-Gubin-Zielona Góra (RB 92). Am Cottbuser Hauptbahnhof sei „Zug fällt aus“ die Standardanzeige für die Wochenendverbindungen zwischen Cottbus und Zielona Góra. „Wenn statt des Zuges der Ersatzbus fährt, geleitet in Zielona Góra ein Mitarbeiter der „Polregio“ die Fahrgäste höchstpersönlich zu dessen Abfahrtsstelle. In Deutschland erfolgt nicht einmal eine Information darüber, ob ein Bus fährt: Geschweige denn, wann und wo“, so Endler. Überdies erfolge die Mitteilung des Zugausfalls meist so kurzfristig, dass Reisenden sich nicht rechtzeitig Ersatzangebote raussuchen können. Beispielsweise rollen die Züge auf der Direktverbindung Cottbus-Forst-Żagań (RB 93) einigermaßen zuverlässig – als einzige grenzüberschreitende Verbindung überhaupt. Sie könnte daher als Ausweichstrecke genutzt werden.

PRO BAHN und die Initiative KolejDEPL fordern von der Politik mehr Engagement für die grenzüberschreitenden Bahnverkehr. „Die Politik hat in den letzten Jahren jede Verbesserung des deutsch-polnischen Verkehrs gefeiert. Die schönsten Fahrpläne nützen jedoch nichts, wenn sie Makulatur bleiben“, so Koschenz. Überdies müsste die Politik für eine zuverlässige Bereitstellung der Schieneninfrastruktur sorgen. „Im Moment organisieren sowohl Bundes- als auch Landespolitik im deutsch-polnischen Verkehr leider einzig eine Verkehrswende weg von der ökologischen Schiene auf die in den letzten Jahren ertüchtigten Autobahnen und Landstraßen – und auf die mit Steuermilliarden gebauten Großflughäfen“, so das gemeinsame Fazit von Koschenz und Endler.

Über den Fahrgastverband PRO BAHN und KolejDEPL

Der bundesweit aktive gemeinnützige Fahrgastverband PRO BAHN hat rund 4.000 Mitglieder und vertritt die Interessen der Nutzer des öffentlichen Verkehrs. Er arbeitet ehrenamtlich, ist in zahlreichen Gremien aktiv und wirkt sowohl auf Politiker und Behörden als auch auf Verkehrsunternehmen ein, um einen attraktiveren und besseren öffentlichen Personenverkehr zu erreichen.

Die Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr (KolejDEPL) ist ein Netzwerk von Vereinen, Institutionen und Einzelpersonen, die im Bereich der deutsch-polnischen Beziehungen und/oder der Verkehrspolitik aktiv sind. Er ist auf deutscher Seite eng mit dem Fahrgastverband PRO BAHN verknüpft.

Bild: Ingo Koschenz