„Wichtige Trippelschritte, aber eine echte Verkehrswende scheitert an der zurückgebliebenen Infrastruktur“

Die Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr (KolejDEPL) kommentiert den Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2024

Zum Fernverkehr:

Der Fahrplanwechsel 2024/2025 bringt Fernreisenden eine Verbesserung: Die Deutsche Bahn feiert diese als „Taktverkehr“. Doch ist es nur ein drittes Eurocity-Zugpaar auf der Achse Berlin-Wrocław-Kraków-Przemyśl. EC-Abfahrten sind in Berlin Hbf um 8:52, 12.52 und 16.52 Uhr; ab Wrocław geht es um 7:13, 11.09 und um 15.10 Uhr nach Berlin. Die Fahrzeit zwischen beiden Städten beträgt rund vier Stunden. Eine Spätverbindung wird nicht angeboten. Dennoch geht es damit aufwärts. Schließlich stand diese Direktverbindung zwischen den Jahren 2014 und 2020 nicht im Kursbuch. Damals stellte der vom VBB finanzierte und nur am Wochenende fahrende „Kulturzug“ der einzige Direktzug von Berlin nach Wrocław dar. Dieser soll nach der Winterpause zwischen dem 29. Dezember 2024 und dem 11. April 2025 weiterfahren. Im letzten Jahr war er öfter ausgebucht. Das zeigt, wie hoch der Bedarf für dieses dritte Zugpaar ist.

Unklar ist, ob und in welchem Umfang private Anbieter in die Fahrplanlücken der Staatsbahnen DB-Fernverkehr und PKP-Intercity springen werden. Der tschechische Zugbetreiber „Regiojet“ hatte für diesen Fahrplanwechsel eine Nachtzugverbindung zwischen Hannover-Berlin-Wrocław-Kraków und Przemyśl in Aussicht gestellt. Um diese ist es aber still geworden. Dafür möchte „Flixtrain“ ab Dezember 2025 zwei Mal täglich von Berlin in einer Rekordgeschwindigkeit von 5 Stunden nach Warszawa fahren. Für unsere Initiative wäre das eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden sechs Eurocitys des „Berlin-Warszawa-Express“.

Wir vermuten indessen, dass die hohen Trassenpreise auf deutscher Seite dem Engagement privater Betreiber im Weg stehen: „DB InfraGO wird die im internationalen Vergleich ohnehin hohe deutsche „Schienenmaut“ noch weiter anheben. Angesichts dessen prüft selbst DB-Fernverkehr, ob sie sich aus wirtschaftlichen Gründen von vielen bestehenden Verbindungen trennt“, informiert Anja Schmotz, Gründerin und Sprecherin der Initiative: „Kein Wunder, dass auch andere Betreiber alles noch einmal kritisch nachrechnen.“

Allerdings steht ebenso die zurückgebliebene Infrastruktur einer Angebotsverbesserung entgegen: „Der gesamte deutsch-polnische Fernverkehr läuft derzeit über die zwei Gleise zwischen Berlin und Frankfurt (Oder). Abgesehen davon, dass diese ständig wegen Bauarbeiten gesperrt werden, müssen sie dazu noch einen Großteil des deutsch-polnischen Güterverkehrs, den zum 20-Minuten-Takt verdichteten Regionalverkehr sowie den Tesla-Werksverkehr bewältigen“, kommentiert Ingo Koschenz, Mitglied der Initiative und Referent für Osteuropaverkehre des Fahrgastverbands PRO BAHN: „Da passt einfach kein weiterer Zug mehr drauf. Der Bund hat jedoch den Ausbau der möglichen Ausweichstrecken wie die Ostbahn Berlin-Kostrzyn und die Lausitztrasse Berlin-Cottbus-Görlitz vertrödelt“. Beide sind sich einig, dass eine „Verkehrswende“ im deutsch-polnischen Verkehr bei diesen Rahmenbedingungen nicht gelingen kann. Die neue Bundesregierung müsse daher den Investitionsstau in der Schieneninfrastruktur endlich auflösen. Nur so könne man große Sprünge statt der bisherigen Trippelschritte machen.

Zum Nahverkehr:

Eingedenk dieser Rahmenbedingungen verwundert nicht, dass sich die Akteure im Nahverkehr nur wenig neue Ziele gesteckt haben: „Signifikanteste Verbesserung zum letzten Fahrplanwechsel ist, dass nach Freigabe der neuen Oderbrücke von Kostrzyn der unzumutbare Schienenersatzverkehr endlich ein Ende hat“, freut sich Schmotz: „Der Verkehr auf der Ostbahn ist aber wie eh und je störungsanfällig. Früher existierende Durchläufer nach Gorzów gibt es nach wie vor nicht. Obwohl direkte Zugläufe Berlin-Szczecin nicht nur über Pasewalk, sondern jetzt auch über Kostrzyn möglich wären, müssen Reisende auf dieser noch immer von Bauarbeiten betroffenen Route noch zwei weitere Jahre die oftmals zu geringen Kapazitäten des Schienenersatzverkehrs in Anspruch nehmen.“

Dafür gibt es auf der RB 92 Frankfurt (Oder)-Rzepin-Zielona Góra eine Systematisierung des Angebotes: Zwischen Frankfurt (Oder) und Rzepin fahren die Züge zweistündlich, weiter nach Zielona Góra vierstündlich. Zu hoffen bleibt, dass diese Linie künftig zuverlässiger verkehrt als in der Vergangenheit. Auf der RB 93 Zielona-Góra-Guben-Cottbus haben die Verantwortlichen offenbar die Konsequenzen daraus gezogen, dass hier Fahrpläne und Wirklichkeit ebenso oft weit auseinanderklafften. Die nur am Wochenende angebotenen bisherigen Durchläufer Guben-Cottbus entfallen; Reisende müssen umsteigen. „Dieser Zug war ohnehin nur ein Phantomzug. Zug fällt aus war seine Standardanzeige am Cottbuser Hbf“, informiert Koschenz: „Eigentlich hätte er Ausflüge zwischen den beiden Partnerstädten ermöglichen sollen.“

Auf der Achse Dresden-Wrocław gibt es eine minimale Angebotsverbesserung, weil in Zgorzelec ein weiterer direkter Anschluss zwischen einem RE aus Dresden und einem „Sprinter“ nach Wrocław hergestellt wird. „Durchgehende Züge gibt es ebenso wenig wie Fernverkehr auf dieser Relation“, teilt Koschenz mit. Hauptursache sei, dass der Bund nach wie vor die Schließung der Elektrifizierungslücke zwischen Dresden und Görlitz nicht angeht, obwohl man dieses bereits im Jahr 2003 in einem Staatsvertrag in Aussicht gestellt habe. Zu hoffen sei, dass nach Unterzeichnung der Finanzierungvereinbarung im vergangenen Juli wenigstens Elektrifizierung und Ausbau der Lausitztrasse Berlin-Cottbus-Görlitz jetzt schnell umgesetzt werden.

„Weil der Bund zu wenig macht und die bundeseigene DB in der Lausitz keinen Fernverkehr anbietet, sollten die Verantwortlichen des Nahverkehrs die Möglichkeiten von durchgehenden Hybridzügen in den Blick nehmen. Diese könnten die Elektrifizierungslücken überwinden,“ fordert Koschenz. Die Niederschlesischen Eisenbahnen (Koleje Dolnośląskie) habe bereits Triebwagen im Bestand, die mit polnischem Gleichstrom und mit Diesel fahren können: „Solche Züge könnten als „Sprinter“ von Wrocław bis Dresden und bis Cottbus fahren, wenn sie eine Zulassung für Deutschland erhielten.“ Denkbar wäre ebenso eine Nutzung von wirtschaftlicheren und umweltfreundlicheren Akku- statt Dieselantrieben für derartige Verkehre. Mindestforderung seien aber günstige Anschlüsse in Görlitz nach Cottbus und Dresden an die Züge aus Wrocław, wenn Ende 2026 endlich das Neißeviadukt wieder elektrisch befahrbar ist.