Am Deutschlandtakt tüfteln Planer bereits seit einigen Jahren. Machbarkeitsstudien haben nachgewiesen, dass der Integrale Taktfahrplan auch in Deutschland umsetzbar ist und hohe verkehrliche Effekte erzielen würde. Anfang Mai 2019 hat nun Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer angekündigt, dass der Deutschland-Takt ab 2021 schrittweise eingeführt werden soll. Im Rahmen des Schienengipfels, der am 7. Mai 2019 in Berlin stattfand, verkündete der Bundesminister: „Der Deutschland-Takt. Er soll schnell erfahrbar und etappenweise umgesetzt werden. Wir möchten, dass er bereits zum Jahr 2021 in den ersten Regionen startet. Dann sehen die Kundinnen und Kunden der Bahn sofort, welche Verbesserungen die Ausbaumaßnahmen für sie ganz konkret bringen – nämlich mehr Verbindungen, bessere Anschlüsse, kürzere Fahrzeiten.“
Was ist der Deutschland-Takt?
Das haben der Fahrgastverband PRO BAHN e.V. und der der Verkehrsclub Deutschland in einem Flyer herausgearbeitet, sinngemäß sind Erklärungen nachfolgende zusammen gefasst.
Die Züge fahren im Deutschland-Takt jede Stunde, in jede Richtung, zur selben Minute.
Der Fahrplan lässt sich so leicht merken, ist zuverlässig und planbar. Das Fahrplansystem wird so für den Fahrgast einfach und verständlich, nicht nur zwischen Metropolen, Großstädten und Intercity-Knoten, sondern in ganz Deutschland. Die Zauberformel heißt „Integraler Taktfahrplan“. Alle Fernzüge fahren in einem Takt von 60 Minuten. Auf einigen Achsen, zum Beispiel Berlin – Hamburg ist ein 30-Minuten-Takt-geplant. Die Fahrpläne aller Linien sind aufeinander abgestimmt. In den Knotenbahnhöfen treffen sich die Züge jede Stunde zur selben Minute. Die Züge halten gemeinsam einige Minuten zum bequemen Umsteigen der Fahrgäste.
Der Integrale Taktfahrplan funktioniert nullsymmetrisch. Das bedeutet, dass an einem Umsteigeknoten alle Züge zu einer bestimmten Zeit vor der vollen Stunde ankommen, und exakt genau so viele Minuten nach der vollen Stunde wieder abfahren. Damit wird gewährleistet, dass ein Anschluss in beiden Fahrtrichtungen gleich funktioniert. Verkehren die Züge im Stundentakt, funktioniert der symmetrische Anschlussknoten auch zur Minute 30, also zu halben Stunde.
Kommt der Deutschland-Takt auch in der Lausitz an?
Der Deutschland-Takt ist eine gesamthafte Planung von Fernverkehrsverbindungen. Die Lausitz hat so gut wie keinen Fernverkehr. dennoch könnte sie vom Deutschland-Takt profitieren. Denn die Planer des Fernverkehrssystems wollen ihr Angebot mit den Nahverkehrssystemen in den Regionen verzahnen. Damit ist aber jeder Anschluss zum Fernzug nur so gut, wie die jeweilige Planungsregion das System Integraler Taktfahrplan verinnerlicht und verstanden hat. In der Region Berlin-Brandenburg zum Beispiel ist der Partner der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg, der im Auftrag der Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr Berlin und Brandenburg die Nahverkehrsfahrpläne auf der Schiene ausarbeitet. Betrachtet man die gesamte Fahrplankonstruktion, gibt es hier durchaus einige gute Ansätze, aber auch gravierende Mängel, die eher dazu führen, dass die Lausitz viel zu wenig vom Deutschland-Takt profitiert.
Beispiel 1: Der Fernverkehrsanschluss in Leipzig.
In Leipzig fahren die für die Lausitzer wichtigen Fernzüge in Richtung Frankfurt/Main, Köln oder München ab. Die Lausitz ist an den Leipziger Hauptbahnhof in den Planungen mit je einer RegionalExpress-Linie (RE) aus Cottbus und Hoyerswerda angebunden, die Leipzig Hbf zur Minuten 49 erreichen (also 8:49, 9:49, 10:49 und so weiter) und zur Minute 10 wieder abfahren (also 8:10, 9:10, 10:10 und so weiter). Der Fernzug nach Frankfurt/Main ist bereits zur Minute 44 abgefahren, der nach Köln zur Minute 47. Nur der Fernzug nach München fährt erst zur Minuten 13 ab. Zwei von drei möglichen Anschlüssen werden knapp verpasst.
Das ist genauso schlecht wie heute.
Das Problem: Der RE aus Cottbus muss auch in Cottbus einen Anschlussknoten bedienen, der aus Hoyerswerda einen Knoten in Ruhland, beide sind zusätzlich in einen Knoten in Falkenberg/Elster eingebunden. Außerdem fahren die RE´s mit maximal 120 km/h, weil die Strecke nur dafür ausgebaut ist.
Lösungsansatz: Um die Fernverkehrszüge in Leipzig zu erreichen, müssten due RE´s aus Cottbus und Hoyerswerda 10 Minuten früher in Leipzig sein. Das ginge nur, wenn mindestens die Strecke Doberlug-Kirchhain – Falkenberg/Elster – Leipzig für 160 km/h ausgebaut werden würde. Um eine verspätungssichere Einfädelung des RE in Cottbus zu ermöglichen, macht es allerdings Sinn, die gesamte Strecke von Cottbus nach Leipzig für Tempo 160 km/h zu ertüchtigen. Die Trassierung der Strecke sollte ein solches Vorhaben auch ohne größere ingenieurtechnische Zusatzmaßnahmen ermöglichen.
Beispiel 2: Falkenberg/Elster RB aus Cottbus fährt ins Leere
Das ist schon heute so. Und im Deutschland-Takt-Entwurf immer noch! Die RB43 Cottbus-Falkenberg/Elster, ab Ende 2022 führt sie als RB11 von Frankfurt/Oder via Cottbus nach Falkenberg/Elster kommt in Falkenberg an, nachdem der Zug nach Leipzig bereits wenige Minuten abgefahren ist. Heute ist das die S4 von Hoyerswerda nach Leipzig, im Deutschland-Takt-Entwurf ist es ein RegionalExpress von Hoyerswerda nach Leipzig. In Richtung Leipzig wird der Anschluss um vier Minuten verfehlt, in der Gegenrichtung um sechs Minuten.
Das Problem: Die Fahrzeit der RB aus Cottbus bis Falkenberg/Elster ist einfach zu lang.
Lösungsansatz: Der im Beispiel 1 benannte Ausbau der Strecke Cottbus – Falkenberg/Elster – Leipzig würde auch die RegionalBahn zwischen Cottbus und Falkenberg/Elster um 6-7 Minuten beschleunigen, da die Haltabstände teilweise sehr groß sind.
Zusätzlich wäre es dennoch erforderlich, ernsthaft über eine Zusammenfassung der beiden Halte Beutersitz und Schönborn an einem neuen Standort in Tröbitz gemeinsam Zusammenhang mit einer guten Bus-Bahn-Verknüpfung für die Bewohner des langgezogenen Dorfes Schönborn in Doberlug-Kirchhain zu prüfen. Eine andere technisch realisierbare Variante wäre ein ÖPNV-Lösung für Uebigau, statt eines Bahnhaltes. Auf Grund der Größe von Uebigau und den durchaus vorhandenen Fahrgastpotentialen würden wir die Verfolgung dieser Variante nicht empfehlen. Die dritte Alternative: Alle Halte bleiben wie aktuell vorhanden bestehen – dann würde die RB den Nullknoten Cottbus wahrscheinlich um 1-2 Minuten verfehlen oder einen sehr knappen und im Verspätungsfall unzuverlässigen Anschluss in Falkenberg/Elster zur Folge haben. Was eigentlich keine Alternative ist.
Beispiel 3: Ruhland – Cottbus – sinnfreier 45/15 Minuten-Takt statt Halbstundentakt
Im Vergabeverfahren „Netz Lausitz“, welches ab Dezember 2022 in Betrieb gehen soll, gibt es eine neue Linie RE13 von Senftenberg nach Cottbus mit Zwischenhalt in Sedlitz Ost und optionaler Verlängerung auf eine Gesamtlinie Elsterwerda – Ruhland – Senftenberg – Cottbus. Die Linie soll die bereits bestehenden Fahrten des RE18 Dresden – Ruhland – Cottbus und RB49 Falkenberg/Elster – Ruhland – Cottbus zwischen Senftenberg und Cottbus zum Halbstundentakt verdichten. Im aktuellen Entwurf zum Deutschland-Takt gibt es aber einen sinnfreien 45/15-Minuten-Wackeltakt, statt einem fahrgastfreundlichen Halbstundentakt.
Das Problem: Im aktuellen Entwurf zum Deutschland-Takt wird der neue RE13 ohne Not in den Nullknoten Cottbus gequetscht. Das ist nicht erforderlich, denn die Linien RE18 und RB49 erreichen ebenfalls den Nullknoten Cottbus.
Lösungsansatz: Der RE13 wird nicht in den Cottbuser Nullknoten eingebunden, dafür gibt es zwischen Ruhland, Senftenberg und Cottbus ein halbstündliches Zugangebot, welches für die beiden Verwaltungsstandorte, Arbeitsorte, Wohnorte, Universitätsstandorte, Ausbildungszentren und Ausflugsziele Cottbus und Senftenberg angemessen ist. Also in diesem Fall einfach die Ausschreibung „Netz Lausitz“ umsetzen und nicht den Deutschland-Takt.
Beispiel 4: Altdöbern und Großräschen – eingeklemmt zwischen Anschlussverlusten
Auf den ersten Blick sind Altdöbern und Großräschen im vorliegenden Entwurf des Deutschland-Takt-Fahrplanes gut angeschlossen. Stündlich hält der RE7 Dessau – Berlin – Lübbenau – Calau – Senftenberg. In Senftenberg gibt es stündlich Anschlüsse zum RE18 nach -Ruhland – Dresden bzw. der RB 49 nach Ruhland – Falkenberg/Elster. Wollen die Altdöberner und Großräschener aber zur nahe gelegenen Großstadt, einem der wichtigsten Arbeitsorte, Ausbildungs- und Studienstandorte im Süden Brandenburgs, sieht es schlecht aus. In Calau verfehlen sie den Anschluss nach Cottbus um knappe 2 Minuten, doch es gäbe ja noch eine weitere Chance auf einen Anschluss nach Cottbus: in Sedlitz Ost. Aber nein, bei der Einfahrt des RE7 in Sedlitz Ost sehen die Fahrgäste den RE nach Cottbus abfahren. Grafisch kann man das nachstehend gut erkennen.
Zwei Umsteigemöglichkeiten – beide knapp verfehlt, das ist nicht der Sinn des Deutschlandtaktes. das ist klassische Fehlplanung und sollte als Musterbeispiel ins Lehrbuch!
Das Problem: Zu viele Anschlussbahnhöfe folgen in Südbrandenburg aufeinander. Das langsame Netz mit 100 km/h langsamen Zügen zwischen Calau und Sedlitz Ost und auch auf einem größeren Teil der Strecke zwischen Sedlitz Ost und Cottbus verhindern, dass die Züge die Anschlüsse erreichen können. Hinzu kommt die unter Beispiel 3 beschriebene nicht notwendige Einbindung des RE13 in den Nullknoten Cottbus.
Lösungansatz: Der RE13 Elsterwerda – Ruhland – Senftenberg – Cottbus verkehrt a) nicht als RE, sondern als RB oder Regio-S-Bahn und verkehrt b) – wie im Vergabeverfahren „Netz Lausitz“ ausgeschrieben gemeinsam mit dem RE18 Dresden – Ruhland – Cottbus und der RB49 Falkenberg/Elster – Ruhland – Cottbus im Halbstundentakt (siehe auch Beispiel 3). Dann wird der Anschluss in Sedlitz Ost auch möglich. Bei Erhöhung der Streckengeschwindigkeit Calau – Seditz Ost von heute 100 km/h auf 120 km/h und Bau eines 2. Seitenbahnsteigs in Großräschen wird der Anschluss in Calau umsetzbar – das bedeute eine Reisezeitverkürzung Großräschen – Cottbus von heute über 70 Minuten auf dann unter 30 Minuten – schneller als das Auto.
Beispiel 5: Intercity und Regionalexpress passen zwischen Cottbus und Berlin nicht zueinander
Im aktuellen Entwurf zum Deutschland-Takt ist eine Intercity-Linie geplant, die 2-stündlich zwischen Stettin, Berlin und Cottbus verkehren soll. Neben dem RE2 von der Berliner Stadtbahn nach Cottbus gibt es noch den RE20, der als 2-stündliche Verlängerung des FlughafenExpress Berlin über den BER mit Cottbus verbindet. Auch der Intercity soll am BER halten, aber zum Beispiel nicht in Lübben und Vetschau. Damit wäre der bereits medial angekündigte Halbstundentakt zwischen Cottbus und Berlin zumindest für Lübben und Vetschau nur eine Mogelpackung.
Das Problem: Intercitys halten nicht in so oft wie RE-Züge. Unabhängig davon, das für die Umsetzung dieser Pläne das 2. Gleis zwischen Cottbus und Lübbenau dringend gebaut werden muss, stellt sich hier die Frage, ob der Status des Intercity-Haltes für Cottbus die schlechtere Bedienung von Vetschau und Lübben im Vergleich zu einer reinen RE-Lösung rechtfertigt.
Lösungsansatz: a) Das Land Brandenburg als Aufgabenträger SPNV müsste die fehlenden Halte beim Fernverkehr bestellen. b) Cottbus bekommt keinen Intercity, dessen verkehrlicher Nutzen für Cottbus ohnehin überschaubar wäre, dafür fährt der RE20 stündlich, mit Halt in Lübben und Vetschau.
Fazit: Gute Ansätze und Nachsteuerungsbedarf
Ein deutschlandweiter Taktfahrplan für den Fernverkehr kann nur funktionieren, wenn auch die Regionen gut angeschlossen werden. In der Lausitz gibt es durchaus gute Ansätze mit den Anschlussknoten zur vollen Stunde in Cottbus und Ruhland (Nullknoten), es gibt aber noch mehrere Baustellen, an denen nachgesteuert werden muss. Sonst verlieren vor allem Regionen wie die Lausitz immer mehr den Anschluss an ein modernes Verkehrssystem.
weiterführende Links:
BMVI: Erste Ergebnisse des Zukunftsbündnisses Schiene
Netzgrafik Deutschlandtakt Nord-Ost
Netzgrafik Deutschland-Takt Süd-Ost